Szenenwechsel, 2017

NEUE BILDER: 27 Bilder aus den Jahren 2009 bis 2011
Kunstverein Hohenaschau, Ausstellung vom 6. Mai bis 19. Juni 2011

Im Jahr 2009 begann Philipp Mager seine Werke durch das Erscheinen der Figuration inhaltlich zu verändern. Erstmalig wird die Erweiterung seines Oeuvres und gleichzeitig neue Werkphase in einem Katalog präsentiert.
Sie leitet einen bedeutenden Richtungswechsel in Magers künstlerischem Ausdruck ein. Geblieben sind neben der Farbigkeit gegenständliche Versatzstücke aus den vorangegangenen Jahren, die die früheren Stillleben, Interieurs und kargen Stadtlandschaften sowie die Arrangements kastenartiger Module nun mit der Figuration narrativ vereinen. Einst das gesamte Bild inhaltlich wie räumlich bestimmend, erhalten die ordnenden Module eine neue Rolle und bilden den Raum für die Szenen. In den neuen Arbeiten ist die menschliche Figur mit ihren Handlungen das Zentrum der Aussage. Bedeutend sind die Module jedoch noch immer für die räumliche Tiefe der Gemälde und für deren Struktur. (Ein kleineres Werk mit einer Reihe dieser Motive aus dem Jahr 2008 bezeichnet der Künstler sogar als »Keimzellen«, ein weiteres aus dem Jahr 2009, »Modul«, markiert den Höhepunkt und das gleichzeitige Ende dieser figurationsfreien Phase.)
Parallel zum malerischen Prozess zeigen sich genreartige Darstellungen von Personenstaffage, die sich – wie der Maler – um die strukturelle und farbliche Ordnung des Bildes kümmert. Gestalterisch fußt die Bildtiefe auf der Idee des Malers, den Gemälden durch pointiert gesetzte Fluchtpunkte und der Überbetonung von Raum im Raum Dreidimensionalität zu verleihen. Wie in seinen nonfigurativen Werken achtet Philipp Mager auf Farbabmischungen in Grau- und Pudertönen – stark an eine Grisaille erinnernd – und verwendet nur sparsam akzentuierend leuchtende Farben. Somit vermitteln die Arbeiten durchgängig eine ruhige Atmosphäre, in der sich der Betrachter in die geheimnisvollen Geschehnisse entführen lassen kann.

Auffallend ist Magers Affinität zu den 20er und 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, der kulturell wie politisch spannenden Interimszeit zwischen den beiden Weltkriegen. Den Künstler verbindet mit dieser Zeit eine nostalgische Sicht auf die Gesellschaft, die einerseits nach den Kriegswirren erleichtert aufatmete und neue Lebensfreude schöpfte, sich andererseits auf dem schmalen Grat zu einer Neuordnung befand, auf deren Scheitern dunkle Bildgründe in der zeitgenössischen Malerei weitblickend hinweisen. Diese Vorliebe Magers schlägt sich teilweise in den Interieurs sowie der äußeren Erscheinung der Figuration nieder. Aber auch stilistisch kann der Künstler eine gewisse Neigung zu dieser Zeit nicht leugnen, tendieren seine Bilder doch zu einer Kühle und Künstlichkeit, die ebenso auf Werken der Neuen Sachlichkeit zu finden sind. Glänzende Oberflächen verstärken diesen Effekt. Sie finden sich im Übrigen als Kontinuum im gesamten Oeuvre Philipp Magers wieder. Selbst das Inkarnat der Figuren wirkt oftmals artifiziell, erinnert an glasiertes Porzellan und suggeriert Haptik sowie Körperlichkeit, aber auch Zerbrechlichkeit. Magers malerische Behandlung von Oberflächen und Materialien verursacht ein Hin und Her zwischen Distanz und Neugierde des Betrachters.
Philipp Mager verleiht den Farben eine fließende Textur, die es dem Rezipienten ein Stück weit ermöglicht, sich in die rätselhaften Erzählungen hineinsehen zu können. Es zeigen sich Plastizität und Flächigkeit in weichen Farbübergängen und nuancierten Valeurs als plakativ gestaltetes Nebeneinander.

Mager hat in seiner Zeit als Volontär im Malsaal der Deutschen Oper in Berlin einen wahren Schatz an Impressionen sammeln können. Sie berühren sein Werk in vielerlei Hinsicht und dienen als Grundlage für die Inszenierungen seiner Bilder. Daher kann das in veränderter Funktion erscheinende Modul auch als pars pro toto des tiefen Bühnenraums interpretiert werden. »Hineinhorchen« (Abb. 27, Umschlag hinten) verdeutlicht die suggestive Kraft dieses schwarzen Kastens, der Protagonist blickt trostlos ins Nichts und sieht seine eigene Endlichkeit. Zudem erscheinen die Figuren auf allen Motiven scharf ausgeleuchtet, wie Schauspieler in einer Aufführung. Philipp Mager generiert illusionistische Räume, in denen eigentümliche Szenarien Hinweise auf die moderne Kultur geben, in der die Gesellschaft durch ihr Handeln den Weg zu ihrem Wohlstand ebnet. Diese Bildräume zeigen visionäre Geschehnisse, die zugleich Hoffnung und Ängste der Protagonisten vermitteln. Auf das Gleichgewicht der Figuren im Raum legt der Künstler großen Wert, egal ob ein Einzelner gezeigt wird oder eine Figurengruppe. Doch selbst wenn mehrere Figuren in eine Szenerie eingebunden sind, wirken sie in ihrer Umgebung isoliert und einsam. Mager betont die ureigenste Singularität des Individuums, in welchem Umfeld es sich auch immer befindet.
Philipp Mager adaptiert traditionelle Themen, indem er alte Inhalte ungewohnt inszeniert (z.B. »König«, Abb. 9, »Du schaust nach Abend«, Abb. 15, »Fußwaschung«, Abb. 24), Zusammenhänge neu erfindet und dabei seine malerischen Möglichkeiten auslotet.

Barbara Leicht, Kunstmuseum Erlangen

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