Unmittelbar, 2017

Der alltäglichen Bilderflut und der damit verbundenen Informationsfülle unserer digitalen Zeit setzt der Berliner Künstler Philipp Mager ein stilles Beharren entgegen. Die vielfachen flüchtigen Eindrücke evozieren bei ihm weder aufgeregten Aktionismus, noch gleichmütigen Rückzug aus der Bilderwelt, vielmehr transformiert er Erlebnisse und Erinnerungen ganz solide und materiell in unmittelbare, intensive Bilder von atmosphärischer Dichte, welche die Vergänglichkeit der Zeit und die Unsicherheit des Moments aufheben.

Seine Kunst ist schon seit jeher geprägt von einem behutsamen und konzentrierten Suchen nach Bildsprachen, die das Verborgene hinter dem Sichtbaren erahnen lassen. Dieses Suchen war nicht nur in den pudrig – leichten Pastellen mit den weißen, glatt glänzenden Gefäßen spürbar, sondern auch in den leuchtend farbigen Collagen früherer Jahre, und es wird auch in seinen faszinierenden jüngsten Arbeiten deutlich.

Diese Bilder erzählen von Gegenwelten, von unsentimentalen rätselhaften Welten, in denen der Mensch seine Spuren in Form genormter Architekturen und schmuckloser Innenräume hinterlassen hat. Der Betrachter kann in Magers Bildern Dinge finden, die er nicht kennt, aber an die er sich dennoch erinnert. Der Künstler beschreibt Phänomene eines globalisierten Landschaftsraumes mit fensterlosen industriellen Flachbauten, die sich mit ihrer Hauskante dominant in den Vordergrund schieben, aber dennoch die irisierende Farbgewalt des Himmels nicht verdrängen können (Gebäude 3, 2008). Oder er zeigt Häuser in geometrischen Grundformen, mit geklappten Dächern und Fensterfronten, mit vor- und zurückspringenden Fassaden, die ein spannungsreiches Spiel von Licht und Schatten verursachen. Immer wieder tauchen einzelne, nicht näher definierte Masten am Bildrand auf. Laternepfähle oder Windräder? Zumindest durchschneiden sie mit ihren überdimensionalen Schatten die vielfarbige Natur und verändern dabei deren Farben.

Keine menschlichen Figuren bevölkern die Bilder, die sich immer wieder in dem Spannungsfeld von innen und außen bewegen, einmal explizit auch so tituliert, sonst aber immer wieder thematisiert, etwa wenn zu den puristischen Architekturen intime, private, aber dennoch spartanische Innenräume hinzukommen, die in ihrer strengen Formensprache als Fortsetzung der Außenräume gelesen werden können.

Magers Einblicke und Ausblicke, Wahrnehmungen und Visionen sind aus Farbe, Licht und Schatten aufgebaut. Sie vermeiden Eindeutigkeiten – und schaffen so die Synthese zwischen Räumlichkeit und Fläche, zwischen gezielter Komposition und Informel, zwischen Dokumentation und Vorstellung. Dabei bewegt sich Mager immer wieder zwischen opulentem, überschwänglichem Farbreichtum – als seien die Bildmotive nur Anlässe, um in immer neuen variantenreichen Farbkompositionen zu schwelgen – und einer asketischen Reduktion des Kolorits, die in einer Art Grisaille – Malerei mündet. So sind die Stangen im gleichnamigen Bild (Stangen, 2008) mit weiß schimmernder Oberfläche gemalt; Erinnerungen an die Oberflächengestaltung der Gefäße in den Arbeiten früherer Jahre werden wach. Die Stangen sind dicht nebeneinander in den betongrauen Raum gestellt. Nur ein hellrosa Schatten an den vertikalen Rundelementen und auf der Raumwand deuten noch einen Rest von Farbigkeit an. Als sei die Farbfülle plötzlich zu übermächtig und erdrückend. Und nur eine vollständige Abkehr von den Reizen einer übervollen Farbpalette und die damit verbundene Rückkehr ins Helle ermögliche wieder den erneuten Einsatz des Kolorits. Als könne nur eine solche Vorgehensweise, die sich ausgewogen zwischen Kontinuität und Wandel bewegt, wieder ein Eintauchen in so nuancenreichen Farbräume erlauben, wie sie in einer anderen Malerei (Zellen, 2009) auftauchen. Hier sind kleinste Farbwürfel wabenartig miteinander verbunden. Jeder Klang, deutlich unterschieden in Licht- und Schattenfarbe, taucht nur einmal auf, aber alle zusammen bilden eine spannungsreiche Symphonie mit einem hellen, Licht durchfluteten Zentrum und dunkleren schattenreichen Rändern.

Die hier insgesamt vorherrschende lichte Wirkung gibt der Künstler jedoch schnell wieder auf, vom Schatten ins Licht bewegt sich das Farbspektrum in der sorgsam komponierten jüngsten Arbeit (Kammern, 2009). Die modular zusammengesetzten Kuben unterschiedlicher Größe zeigen einen streng kontinuierlichen Helligkeitsverlauf, der spielerisch unbeschwert durch Kontraste und Komplementäre gebrochen wird. Die räumlichen Pixel, die unweigerlich Fantasien über die dahinter verborgene Gegenständlichkeit evozieren, erforschen mit Licht, Größe, Farbigkeit und Perspektive den (Bild)-Raum und experimentieren mit der Vielfarbigkeit von weiß und schwarz. Philipp Mager ist ein Künstler, der durch die subtil aufeinander abgestimmten, manchmal lauteren, manchmal leiseren Farbklänge eine außerordentlich wirkungsvolle Malerei schafft, die den Betrachter ganz unmittelbar emotional berührt, und ihn unweigerlich in ihren Bann zieht. Die konzentrierte Innerlichkeit, die sich in formaler Reduktion widerspiegelt, lässt immer wieder Leerräume im Bild entstehen, die als Projektionsflächen für Imaginationen genutzt werden können.

Martina Sutter-Kress, Erlangen

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